«Wir können nicht genug bekannt sein»

    Die Schweizerische Tiermeldezentrale STMZ ist die grösste und einzige nationale Plattform für vermisste und heimatlose Tiere. Über 35’000 Tierfreunde beteiligen sich am Helfernetzwerk und leisten gemeinsam einen wichtigen Support, damit «Mizi», «Bello» & Co wieder gesund nach Hause finden. Geschäftsführerin Bernadette Christen setzt sich mit viel Engagement und Intuition für diese sinnstiftende Arbeit ein. Hier erzählt sie über ihre tägliche Arbeit in der Non-Profit-Organisation, über ein ausgeklügeltes Meldesystem und schöne Erfolgsgeschichten.

    (Bild: zVg) Bernadette Christen, die Geschäftsleiterin der Schweizerischen Tiermeldezentrale, wünscht sich, dass das Helfernetzwerk weiterhin wächst und seine Bekanntheit zunimmt.
    Die STMZ wird nächstes Jahr 20 Jahre alt. Wie bekannt ist dieses wichtige Helfernetzwerk bei den Tierbesitzern respektive in der Bevölkerung?

    Bernadette Christen: Wir arbeiten eng mit den Tierärzten und den Gemeinden zusammen. Wir können mit unserem Helfernetzwerk wie auch auf den sozialen Medien auf unsere Arbeit aufmerksam machen. Jedoch erhalten wir immer auch wieder Rückmeldungen, von Tierbesitzern, die uns nicht gekannt haben. Als Organisation für die Suche von vermissten oder heimatlos gefundenen Haustieren können wir nicht genug bekannt sein.

    Können Sie im Hinblick auf das runde Jubiläum im nächsten Jahr eine kleine Bilanz ziehen, was die STMZ in den letzten Jahren alles erreicht hat?
    Wenn jemand ein unbekanntes Tier findet, verlangt das Gesetz, dass dieses bei der kantonalen Fundmeldestelle – davon gibt es 26 – gemeldet werden muss. Die STMZ wird als schweizweite Fundmeldestelle anerkannt, das heisst mit der Erfassung der Fundmeldung auf www.stmz.ch erfüllt der Finder seine gesetzliche Verpflichtung. Heute sind wir die grösste und einzige nationale Plattform für vermisste und heimatlose Tiere. Unser Meldungsabgleich funktioniert über Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinaus. Die Idee vom Helfernetzwerk hat bis jetzt viel bewegt. Es ist eine Nachbarschaftshilfe, die beim täglichen Spaziergang oder auf dem Weg zur Arbeit umgesetzt werden kann.

    Das «Netzwerk der Nachbarschaftshilfe und Solidarität unter Tierfreunden» wächst stetig. Wie viele Helferinnen und Helfer haben Sie zurzeit und wie rekrutieren Sie diese Leute?
    Unser Helfernetzwerk besteht aus über 35’000 Personen in der ganzen Schweiz. Es gibt Regionen, vor allem ländliche, wo wir nur vereinzelt Helferinnen haben. Unter dem Motto «Helfer suchen Helfer» machen wir regelmässig Aufrufe, Bekannten und Nachbarn von uns zu erzählen. Wenn jemand sein geliebtes Haustier vermisst, ist es tröstlich zu wissen, dass in der Nachbarschaft viele Menschen die Augen offenhalten und nach dem Tier suchen.

    Wie funktioniert das STMZ-Helfernetzwerk konkret bei einer Vermisst- respektive Fundmeldung?
    Das Helfernetzwerk ist ein genialer Multiplikator der Vermisstmeldungen. Diese wird an die Helfer in der Umgebung des vermissten Tieres weitergeleitet – durchschnittlich an 45 Helfer. In der Stadt Biel sind es mit 181 Empfänger am meisten schweizweit. Die Helfer halten Ausschau nach dem gesuchten Tier beim täglichen Spaziergang mit dem Hund, beim Ausritt mit dem Pferd, auf dem Weg zur Arbeit oder beim Einkaufen. Nebst dem Solidaritätsgedanken kann jeder Tierbesitzer vielleicht selber mal von dieser Hilfe profitieren. Je mehr Helfer in der Umgebung sind, desto besser. Deshalb: «Helfer suchen Helfer».

    Wie lange dauert es im Schnitt bis das Tier wieder bei seinem Besitzer ist?
    Bei den Katzen ist es oft so, dass in den ersten drei bis vier Tagen die meisten selber wieder nach Hause finden. Bei Schildkröten sind die Leute oft erstaunt, wie schnell diese Tiere weite Strecken bewältigen können und suchen deshalb in zu kleinen Radien. Ausgebüxte Hunde können grösstenteils wieder eingefangen werden. Schwierig wird es bei erst kürzlich aus dem Ausland geholten Strassenhunde.

    Wie viele Tiere werden prozentual gefunden?
    Über 80 Prozent werden in den ersten Wochen wiedergefunden. Es kann aber auch Monate dauern, bis die geliebten Tiere als Streuner erkannt werden. Deshalb ist es wichtig, dass auch Katzen gechipt werden.

    (Bilder: pixabay) Dank einem grossen solidarischen Helfernetzwerk kommen «Mizi», «Bello» & Co wieder nach Hause.

    Sind es hauptsächlich Katzen und Hunde, die entlaufen sind oder auch andere Tiere?
    Von den 30’000 Meldungen machen rund 80 Prozent Katzen und 10 Prozent Hunde aus. Aber auch Schildkröten, Hasen und Vögel können zuhause ausreissen und werden dann vermisst.

    Wie wird die STMZ finanziert?
    Bei uns können alle Meldungen gratis im Internet erfasst werden. Ein wichtiger Grundsatz ist für uns, dass die Suche nach dem geliebten Tier nicht zur Finanzfrage werden soll. Wir sind eine offiziell anerkannte Non-Profit Organisation. Wir leben fast ausschliesslich von Klein-Spenden von privaten Gönnerinnen und Gönner. Zudem ist es möglich, mittels einem Legat an uns, Glück zu hinterlassen. Staatliche Subventionen erhalten wir keine.

    Wie tangiert die Pandemie Ihre Tätigkeiten in der Tiermeldezentrale?
    Der Meldungsverlauf hat sich nicht verändert. Wir dachten, dass eventuell aufgrund der Situation des Lockdowns, wenn mehr Leuten zu Hause sind, weniger Vermisstmeldungen eingehen würden. Das hat sich nicht bewahrheitet. Ebenso sind wir froh und dankbar, dass uns bis jetzt unsere treuen Gönnerinnen und Gönner nicht vergessen haben. Wir hoffen sehr, dass das weiterhin so bleibt.

    Wie viele Vermisst- und Fundmeldungen waren es in diesem Jahr und hat Corona eine Auswirkung darauf?
    Bis Ende Jahr werden es knapp 30’000 Meldungen sein. Dies ist eine erneute Zunahme im Rahmen der letzten Jahre von 10 Prozent.

    Was fasziniert Sie besonders an Ihrer Arbeit in der Tiermeldezentrale?
    Meine Mitarbeiterinnen und ich sind sehr oft in Kontakt mit Menschen. Am liebsten haben wir, wenn uns schöne Erfolgsgeschichten erreichen. Es macht uns Freude, verzweifelte Tierbesitzerinnen und -besitzer mit unseren Tipps und Inputs zu unterstützen. Dabei können wir auf unsere nationale Datenbank mit tierspezifischen Kontakten zugreifen. Es ist eine sehr sinnstiftende Arbeit, die Spass macht. Viel Zeit verbringen wir zudem mit der Pflege unserer Adressen und Kontakte, sodass unsere Helferinnen und Helfer und unsere Gönnerinnen und Gönner erreichbar bleiben.

    Was war bis jetzt das schönste Erlebnis bezüglich Tiere, die wieder heimgefunden haben?
    Jede eingehende Meldung kommt in unseren automatischen Abgleich mit den bestehenden Meldungen. Wenn da ein offensichtlicher Treffer angezeigt wird, ist das jedes Mal ein wunderbares Glücksgefühl. Unsere liebsten Telefonate sind, die Besitzer über den Tierfund zu informieren. Diesen Sommer habe ich einen Anruf von zwei Touristen entgegen genommen, die im Tessin am Waldrand eine Schildkröte gefunden haben. Sie wollten wissen, was sie nun mit dem Tier tun und wohin sie es bringen können. Eine Vermisstmeldung im 10 km-Radius passte genau auf diese Schildkröte. Ich habe den Leuten die Telefonnummer gegeben und ich bin sicher, dass es zu einem wunderbaren glücklichen Happy-End gekommen ist. Diese Woche haben wir eine Email bekommen mit einer wunderbaren Erfolgsgeschichte: Ein Kater wurde während 5,5 Jahren vermisst. Die Besitzerin hat die Hoffnung jedoch nie aufgegeben. Monatlich haben wir ihr ein E-Mail geschickt und gefragt, ob sie die Vermisstmeldung verlängern möchte, was sie jeweils getan hat. 5,5 Jahre später ist der schwarze, unbekannte Kater im Nachbardorf 4 km Luftlinie entfernt, aufgetaucht. Leider war er nicht gechipt, jedoch hatte er einen abgebrochenen Schneidezahn. Die Finder haben auf www.stmz.ch die Vermisstmeldung gesehen und konnten den Kater der überglücklichen Besitzerin zurückbringen.

    Was wünschen Sie sich für diese wichtige Institution für die Zukunft?
    Ich hoffe, dass wir noch lange die finanziellen Mittel aufbringen können, um unseren Suchservice gratis anzubieten. Solange in der Schweiz die Anzahl Haustiere zunimmt, werden leider auch die Meldungen bei uns immer mehr. Ich hoffe, dass auch unser Helfernetzwerk markant wächst und so unsere Bekanntheit zunimmt. Unser Wunsch ist, dass allen Schweizerinnen und Schweizern im Zusammenhang mit vermissten oder heimatlosen Tieren als Erstes die STMZ in den Sinn kommt.

    www.stmz.ch

    Interview: Corinne Remund

    STMZ, Stansstaderstrasse 104, 6370 Stans                                                                
    Tier gefunden: Tel. 0848 357 358, Tier vermisst: Tel. 0900 357 358 (1.95/Min)     
    Spendenkonto: Post-Konto Nr. 60-414215-9, IBAN CH26 0900 0000 6041 4215 9 oder online unter www.stmz.ch/spenden                                                                 


    Rund 30’000 Meldungen pro Jahr

    Gegründet wurde die Schweizerische Tiermeldezentrale (STMZ) im Jahre 2001, mit dem Ziel, eine schweizweit einheitliche Meldestelle zu schaffen. In diesem Unterfangen wurde sie vom Schweizerischen Tierschutz STS, der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST und der Organisation ANIS (Animal Identity Service) unterstützt. Im Jahre 2005 wurde die STMZ verkauft. Die neuen Eigentümer professionalisierten das Dienstleistungsangebot und erweiterten es um eine Tier-Notrufzentrale und um ein Adressenverzeichnis rund ums Thema «Haustiere». Die STMZ Schweizerische Tiermeldezentrale existiert in der heutigen Form seit 2005. Ihre Mission ist das Suchen und Finden von Haustieren mittels der einzigartigen, national geführten Datenbank. Fund- und Vermisstmeldungen können im Internet erfasst, verwaltet und mit den bestehenden Meldungen abgeglichen werden. Ein Plus ist zudem das Helfernetzwerk und die 24-Stunden Erreichbarkeit per Telefon. Das Team der Tiermeldezentrale arbeitet eng mit allen Betroffenen und den Behörden zusammen und wickelt die gesetzliche Meldepflicht von Tierfunden (ZGB 720a) ab.
    Jedes Jahr verarbeitet die Tiermeldezentrale mehr Meldungen, 2018 waren es über 24’000, rund ein Drittel Fund- und zwei Drittel Vermisstmeldungen. 2019 wurden fast 15 Prozent mehr Tiere gemeldet als im Vorjahr.
    Jede Vermisstmeldung kann zudem im Helfernetzwerk verbreitet werden. Das sind Personen, die in der Umgebung des vermissten Tieres wohnen und beim Suchen unterstützen. Aktuell sind über 35’000 Personen Teil dieser Nachbarschaftshilfe unter Tierfreunden.

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