«Wir kämpfen weiter gegen die Treibjagd!»

    Verein zum Schutz der bedrohten Wildtiere wird 20 und setzt sich weiterhin gegen die Treibjagd ein

    2018 feiert der Verein zum Schutz der bedrohten Wildtiere (VZSBW) sein 20-Jahr-Jubiläum. Gegründet wurde er von Peter Suter, der sich seit seiner Jugend aktiv gegen Tierquälerei – vor allem die Treibjagd – einsetzt. Gespräch mit einem Mann, der niemals aufgibt. Auch wenn er oft gegen Windmühlen kämpft.  

    (Bild: zVg) Der Vorstand des Vereins zum Schutz der bedrohten Wildtiere.

    Peter Suter, warum riefen sie 1998 den Verein zum Schutz bedrohter Wildtiere ins Leben?
    Ich war schon als Kind ein Tierfreund. In der Region Kölliken, wo ich wohnte, waren in der Jagdsaison, die vom 1. November bis 31. Dezember dauert, immer viele Jäger unterwegs. Ich sah wie sie nach einer gelungenen Jagd ihre Mahlzeit am offenen Feuer einnahmen. Hinter ihnen hingen die erlegten Tiere in den Bäumen. Das schockierte mich. Ich fing in jungen Jahren an Leserbriefe gegen das Jagdtreiben zu schreiben und war in verschiedenen Tierschutzvereinen aktiv. Darunter in der Fondation Franz Weber, die sich generell für die Umwelt stark macht. Und bei Erwin Kesslers Verein gegen Tierfabriken. Schliesslich kannte ich so viele Gleichgesinnte, dass ich 1998 den VZSBW gründen konnte.
    Alle 150 Mitglieder des VZSBW sind «Vollblut-Tierschützer». Viele davon leben vegetarisch oder gar vegan. (Anmerkung der Redaktion).

    Welches waren bisher die Meilensteine in ihren Vereinsaktivitäten?
    Wir haben fünf Volksinitiativen lanciert. Drei davon im Aargau. 2002 reichten wir eine Initiative zum Schutz der Feldhasen, Vögel und Dachse ein. 2006 und 2011 sammelten wir über 3000 Unterschriften für unsere Initiativen «Jagen ohne tierquälerisches Treiben». Dabei geht es vor allem darum, die schreckliche Treibjagd zu verbieten. Vorher hatte sich niemand in meiner Region vehement gegen die Jagd eingesetzt. Leider wurden alle unsere Initiativen abgeschmettert und für Gegenpropaganda viel Geld eingesetzt. Einen Teilerfolg erzielten wir trotzdem: Die Jäger vor Ort versprachen uns, keine Feldhasen mehr zu schiessen. Daran halten sie sich bis heute. Wir veranstalteten vor entscheidenden Abstimmungen auch Kundgebungen in Baden und Aarau, die sich gegen die masslose Jägerei und Wildtiertöterei richteten.

    Gejagt wird ja einerseits, um Wildtierbestände zu regulieren. Die konventionelle Jagd sieht ihre heutige Funktion in der nachhaltigen Hege und Pflege des Waldes. Andererseits hat die Treibjagd einen wahren Eventcharakter und verkommt zu einem unnötigen Spektakel. Es gibt anscheinend Leute, die Spass haben, ein zu Tode verängstigten Tier herumzuhetzen, bevor es erschossen wird…
    Ja. Für die Menschen in der Steinzeit war die Jagd überlebenswichtig. Heute ist das längst nicht mehr der Fall. Der Jagdtrieb in manchen Menschen ist aber geblieben. Jagden sind gesellschaftliche Anlässe und für die meisten Teilnehmenden eine Riesengaudi. Die Jäger freuen sich, wenn sie etwas erlegt haben und posieren oft stolz für ein Erinnerungsfoto mit der Tierleiche.

    An der Jahresversammlung des VZSBW zeigte Marion Theus, Präsidentin des Vereins Wildtierschutz Schweiz einen Film, der 2017 in der Rundschau ausgestrahlt wurde. Er zeigt, wie Bündner Jäger eine bei der Jagd angeschossene Hirschkuh verfolgen, um ihr den Gnadenschuss zu geben. Sie muss stundenlang gelitten haben. Passieren solche «Fehlschüsse» häufig?
    Ja. Im Mittelland werden rund 25% der gejagten Wildtiere «bloss» angeschossen. Sie verkriechen sich dann verängstigt und mit grossen Schmerzen ins Dickicht oder flüchten. Nach einigen Stunden machen sich die Jäger dann mit ihren abgerichteten Hunden auf die Suche nach dem Tier, um es zu erlösen. Ich habe aber auf Spaziergängen auch schon kleine Rehböcke gesehen, die nicht gefunden wurden und qualvoll verendet sind.

    Im Rundschau-Film sagt ein Jäger am Schluss in der Metzgerei vor der aufgehängten toten Hirschkuh lächelnd: «So schnell ist der Weg vom Wald auf den Teller»… (Anmerkung der Redaktion).

    (Bilder: ub) Peter Suter zeigt ein Gemälde von Kantonschülerin Julia Hauri aus Oberentfelden gegen das Pelztragen.

    Finden Sie, es dürfte gar keine Jagd geben und man müsste völlig darauf verzichten?
    Nein, das ist nicht realistisch. Aber gejagt werden sollte wirklich nur zur Regulierung und auch in diesem Fall mit Vernunft. Man muss als Mensch nicht ständig in die Natur eingreifen. Sie reguliert sich grösstenteils selber. Die meisten Wildtiere leben in Gruppen. Dauernd werden einige von ihnen weggeschossen. Das gibt Unruhe in ihren Gemeinschaften und fördert den Vermehrungsdrang. Aber das wollen die Jäger nicht wahrhaben.

    Im Aargau wurden 2016 5‘575 Stück Rehwild abgeschossen (geplant waren 5‘316). Die vereinbarten Rehwildabschusszahlen werden immer überstiegen (Anmerkung der Redaktion).

    Pelztragen war lange Zeit Tabu. Obwohl die Bevölkerung durch verschiedene Protestaktionen, z.B. von PETA, sensibilisiert ist, sind Tierfelle seit einigen Jahren wieder en vogue. Was sagen Sie dazu?
    Für mich ist das völlig unverständlich. Der Kampf gegen das Pelztragen startete schon in den 80er- und 90er-Jahren. Schauspielerin Brigitte Bardot setzte sich genauso vehement dagegen ein wie die Fondation Franz Weber. Teilweise erfolgreich.  Jetzt nimmt der Trend zum Pelz trotz aller Protestaktionen wieder zu.  Im Kassensturz wurde unlängst ein Film über Wölfe in Finnland und anderen europäischen Ländern gezeigt, die für die Pelzzucht in engen Käfigen gehalten und gemästet werden. Zum Schluss erschlägt man sie mit Knüppeln oder vergast sie. Es ist unsäglich!

    Haben Sie das Gefühl, Sie seien mit ihren Aktivitäten über 20 Jahre hinweg weitergekommen zu sein?
    Sicher! Wir haben mit unseren Initiativen das Bewusstsein vieler Menschen geweckt. Leider vergisst man auch gern und schnell. Zudem erfährt die Jägerschaft grossen Zuspruch. Da sind Mitglieder vom Bauer über den Metzger bis zum National- und Ständerat drin. Dagegen anzukommen, ist schwer. Wie sehr Politikern das Wohl der Tiere am Herzen liegt, sah man ja unlängst wieder. 2017 musste der Ständerat über eine Motion befinden, die ein generelles Importverbot von tierquälerisch erzeugten Produkten forderte. Dabei ging es insbesondere auch um Stopfleber. Von 44 Ständeräten sprachen sich gerade mal vier für das Importverbot aus.

    Marion Theus, Präsidentin Verein Wildtierschutz Schweiz kämpft seit vielen Jahren unbeirrt gegen Tierleid, auch wenn sie deswegen schon Morddrohungen bekam.

    Was für aktuelle und zukünftige Projekte stehen auf der Agenda des VZSBW?
    Wir unterstützen Marion Theus vom Wildtierschutz Schweiz, die den Unterricht von Schulkindern durch Jäger verbieten will. Sie besuchen Schulen und manipulieren den Nachwuchs mit spielerischen Methoden, bewerben die Jagd als reines Naturschutzprojekt und verharmlosen deren reale Hintergründe und Auswüchse. Zudem setzen wir uns dagegen ein, dass der Schwanenbestand am Hallwilersee mittels Eingriffen am Brutgelege von 70 auf 35 halbiert werden soll. Das Eierstechen ist ein unverhältnismässiger und unnötiger Eingriff in die Natur- und Tierwelt. Und wir kämpfen weiter gegen die Treibjagd im Kanton Aargau. Für wollen für eine neue Volksinitiative 3000 Unterschriften zusammenbringen. Die Volksinitiative «Wildhüter statt Jäger» in Zürich wurde ja vom Kantonsrat abgelehnt. Eine Minderheit will mit einem Gegenvorschlag die Treibjagd verbieten. Wir sind gespannt auf das Resultat und hoffen, dort mit unserer Initiative im Aargau anschliessen zu können.

    Was gibt Ihnen die Kraft, sich weiterhin gegen alle Widerstände für das Wohl des Tieres einzusetzen?
    Kraft und Mut gibt mir der Zusammenhalt mit anderen Tierschützerinnen und Tierschützern. Und ich habe Vorbilder wie Franz Weber und seine Tochter Vera, die weltweit gegen Tierquälerei kämpfen; oder Erwin Kessler, der sich mit seinem Verein gegen Tierfabriken vehement gegen die Mästereien einsetzt. Ich muss einfach meinen eigenen Teil zur Bekämpfung von tierquälerische Methoden beitragen. Das kommt aus meinem tiefsten Innern heraus.

    Interview: Ursula Burgherr

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