Trotz angespannter Situation Lernende ausbilden

    Beat Bechtold, Direktor der Aargauischen Industrie- und Handelskammer AIHK und FDP-Grossratskandidat setzt sich für eine eigenverantwortliche Gesellschaft, die Solidarität lebt ein. Ein ganz wichtiges Anliegen ist für ihn die Berufsbildung: Hier ist entscheidend, dass Lehrabgänger im Arbeitsmarkt Fuss fassen können.

    (Bild: zVg) Der AIHK-Direktor Beat Bechtold kandidiert für den Grossen Rat.

    Sie kandidieren am 18. Oktober 2020 für den Grossen Rat im Kanton Aargau. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
    Beat Bechtold: Als Direktor der AIHK mache ich mich täglich stark für liberale Rahmenbedingungen, mit denen sich Wirtschaft und Gesellschaft im ganzen Kanton Aargau bestmöglich entfalten können. Mit meinen 43 Jahren stehe ich mitten im Leben – sowohl als Familienvater, als Politiker wie auch im Beruf. Zudem bin ich motiviert und bringe die Energie mit, mich politisch noch stärker zu engagieren und mich im Grossen Rat aktiv für die Menschen im Kanton und in der Region Brugg einzusetzen.

    Sie haben bereits erste Erfahrungen in politischen Ämtern unter anderem als Präsident der Fachkommission Finanzpolitik der FDP Schweiz oder als Gründungspräsident der FDP Birr. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
    In diesen Funktionen habe ich gelernt, dass es wichtig ist, auf Mitstreiter zählen zu können, die Erfahrung, Wissen und Motivation mitbringen. Unser Milizsystem baut bekanntlich darauf, dass sich Freiwillige für die Allgemeinheit engagieren. Damit wird gewährleistet, dass in den Gemeinden u.a. die wichtigen Kommissionen besetzt werden können. Auf nationaler Ebene waren gerade auch die eidgenössischen Parlamentarier sehr dankbar, dass sich Experten aus der Wirtschaft und Wissenschaft fundiert eingebracht haben.

    Wo setzen Sie als FDP-Grossrat die politischen Prioritäten?
    Einerseits für eine Wirtschaft, die nachhaltig funktioniert: Der Kanton Aargau ist ein wirtschaftlich bedeutender Kanton mit einer vielseitigen Wirtschaftsstruktur. Die vielfältigen regionalen Interessen und die Bedürfnisse der KMU müssen stärker berücksichtigt werden. Und andererseits für eine eigenverantwortliche Gesellschaft, die Solidarität lebt: Eigenverantwortung und solidarisches Handeln sind der zentrale Kitt unserer Gesellschaft. Gemeinsam müssen wir in unsere Bildung investieren, unsere Gesundheit pflegen und zu Kultur sowie Sport beitragen.

    Als AIHK-Direktor setzen Sie sich für die Aargauer Wirtschaft und damit für die Unternehmen ein. Wo sind hier die dringendsten politischen Anliegen?
    Ein grosses Anliegen ist die Senkung der Gewinnsteuersätze für Unternehmen. Die aktuell vorliegende Steuergesetzrevision des Kantons klammert diese gänzlich aus, was aus meiner Sicht falsch ist. Der Aargau gehört zurzeit in die Gruppe der Kantone mit den höchsten Unternehmenssteuern. Eine Senkung der Gewinnsteuern würde zu mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätzen im Kanton Aargau führen, das Risiko von Unternehmensabwanderungen reduzieren und neue Firmen dazu animieren, sich im Aargau anzusiedeln.

    Die Begrenzungsinitiative wurde am 27. September abgelehnt. Sind Sie als AIHK-Direktor eines der grössten Exportkantone erleichtert?
    Für den Kanton Aargau mit seiner starken Exportindustrie wäre die Annahme der Begrenzungsinitiative – und damit das Ende der Bilateralen I – sehr einschneidend gewesen. Wir hätten den Zugang zum wichtigsten Fachkräfte- und Absatzmarkt, der EU, verloren. Und das ohne eine adäquate Alternative. Unsere Wirtschaft ist aufgrund der Corona-Pandemie genug gefordert, da braucht es weder mehr Hürden noch mehr Herausforderungen für unsere Unternehmen. Ich bin darum sehr froh, hat die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung Nein gestimmt.

    Der Aargau hat fast eine halbe Milliarde Franken Finanzausgleich bekommen, weil er im Ranking der Kantone zurückfällt. Wie kommt der Aargau wieder auf Kurs?
    Da haben wir im Aargau neben der bereits erwähnten Steuertarifsenkung für Unternehmen weitere Handlungsfelder, u.a. bei der Arealentwicklung oder auch bei der Mobilität. Aus Sicht der AIHK ist die Fachkräfteförderung aufgrund des grossen Mangels an qualifizierten Arbeitskräften besonders wichtig. Der Aargau muss für gut ausgebildete und qualifizierte junge Menschen attraktiv bleiben bzw. noch attraktiver werden. Insbesondere Absolventinnen und Absolventen der hiesigen Ausbildungsstätten, wie z.B. der FHNW, sollen im Aargau wohnhaft bleiben und bei ansässigen Unternehmen eine Beschäftigung finden.

    Ein Steckenpferd von Ihnen ist die Berufsbildung. Wie kann der Fachkräftemangel in der aktuell angespannten Situation bekämpft und möglichst vermieden werden?
    Aus meiner Sicht sind es zwei Dinge, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen: Es ist entscheidend, dass Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger im Arbeitsmarkt Fuss fassen und Berufserfahrung sammeln können. Und es ist wichtig, dass Betriebe weiterhin neuen Lernenden einen Ausbildungsplatz anbieten, auch wenn die wirtschaftliche Situation angespannt ist. Tun wir beides nicht, wird sich der Fachkräftemangel weiter verstärken.

    Interview: Corinne Remund

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